Einige Überlegungen zum Thema "naturnahe Haltung"


Immer häufiger hören wir von Käufern unserer Nachzuchten (insbesondere Neueinsteigern) das sie für die neu erworbenen Strumpfbandnattern eine "naturnahe" Haltung anstreben. Das ist nicht weiter verwunderlich, liest man doch in den einschlägigen Foren und Social-Media- Plattformen immer häufiger von vielen Vorteilen, die diese Haltungsform verspricht. Voller Begeisterung wird hier regelrecht Werbung für solch eine Haltung gemacht. Häufig liest es sich, als könne man hier auf Reinigungsmaßnahmen nahezu komplett verzichten. Man müsse lediglich ab und an die Pflanzen gießen und einige Asseln und Springschwänze in dem Becken ansiedeln. Und schon hat man ein funktionierendes Ökosystem nachgebildet, ein kleines Minibiotop... Das hört sich natürlich prima an. Aber ist es das auch wirklich?

unserer Meinung nach bringt die naturnahe Haltung für Strumpfbandnattern einige Nachteile mit sich, welche in der klassisch/ hygienischen Haltung nicht zu erwarten sind.

Für welche Haltung man sich entscheidet ist natürlich jedem selbst überlassen. Allerdings hat jeder Halter darauf zu achten das seine Tiere "Artgerecht" untergebracht sind. Aber was bedeutet das?

 

Eine geschützte Definition von artgerechter Haltung scheint nicht zu existieren. Allgemein versteht man unter artgerechter Haltung folgende Punkte:

 

-Ausreichendes Platzangebot

-Bedarfsgerechte Ernährung

-Bedarfsgerechtes Klima

-Vermeidung von unnötigem Stress oder Schmerzen

- optimales Hygiene- Management

 

Insbesondere bei den Themen Hygiene und Klima haben wir einige Zweifel das man den Schlangen in der naturnahen Haltung gerecht wird. Wir haben bereits einige naturnah eingerichtete Terrarien besichtigt und unzählige Bilder solcher Terrarien gesehen. Im groben und ganzen sind diese im Grundaufbau gleich. Der Bodengrund besteht aus einem Substrat welches aus verschiedenen Erden, Sand, Kokosfasern und ähnlichen Substraten. Zum Teil finden sich Drainageschichten aus Blähton oder ähnlichem darunter. Als Einrichtung findet man Äste, Korkrinden, Steine und weitere Gegenstände. Ein weiterer Schwerpunkt der Einrichtung ist zumeist eine üppige Begrünung mit unterschiedlichsten Pflanzenarten, welche zumeist direkt in das Substrat gepflanzt werden. Ist das Becken fertig eingerichtet, wird es mit verschiedenen Wirbellosen angeimpft, der sogenannten Bodenpolizei. Wie Eingangs schon erwähnt, handelt es sich hierbei meist um verschiedene Assel- Arten und Springschwänze, oftmals ergänzt durch z.B. Rotwürmer, Regenwürmer oder Tauwürmer. Sie alle gehören zu den Destruenten. Hier sehen wir das erste große Problem. Denn genau an dieser Stelle fehlen häufig wichtige Informationen. Wie bereits angemerkt wird es häufig so dargestellt das die "Bodenpolizei" die Aufgabe der Reinigung übernimmt (Entfernung von z.B. Kot, Natternhemden usw). Das ist aber eben nicht der Fall, denn diese Tiere übernehmen vereinfacht ausgedrückt nur die Zerkleinerung dieser Materie. Bei den Destruenten unterscheidet man zwischen Saprophagen und Saprophyten.

Die Saprophagen sind diejenigen, die die Materie zerkleinern und damit die eigentliche Zersetzung erleichtern (Bspw. Asseln und Springschwänze).

Die Saprophyten sind diejenigen, die die Materie dann tatsächlich zu anorganischer Masse zersetzen (Dies könnte man dann als Entsorgung bezeichnen). Hierzu zählen hauptsächlich Mikroorganismen und Pilze, welche wiederum in Blumenerde, Kokosfasern und dergleichen sicherlich fehlen dürften. Jetzt ist schon der ein oder andere auf die Idee gekommen dies durch Verwendung von Wald- oder Maulwurfserde auszugleichen. Das scheint auf den ersten Blick auch plausibel, jedoch muss bedacht werden das auch Mikroorganismen und Pilze Lebewesen sind. Wie alle Lebewesen haben auch diese spezielle Ansprüche an ihren Lebensraum. Ob sich diese Ansprüche (z.B. bezüglich Temperatur und Feuchtigkeit) mit denen unter Terrarienbedingungen decken, ist mehr als fraglich. Wir konnten bisher keine gesicherten Erkenntnisse hierzu ausfindig machen. Selbst wenn die Mikroorganismen im Terrarienklima zurechtkämen, muss man sich die Frage stellen ob die Menge an Saprophyten ausreicht um gegen die durch die Bewohner eingebrachten Hinterlassenschaften anzukommen. Denn diese kommen in dem eingebrachten Substrat eben nicht in unbegrenzter Menge vor. Die Verwendung von unbehandelter Walderde oder ähnlichem, birgt ferner die Gefahr der Einschleppung von Parasiten, Krankheitserregern und Ungeziefer.   

 

Ein sicherlich wichtiger Faktor für das Überleben von Destruenten und Pflanzen ist eine Ausreichend hohe Feuchtigkeit. Diese lässt sich durch regelmäßiges Gießen oder beregnen erreichen. Infolge der dadurch entstehenden Bodenfeuchte wird auch die Luftfeuchte steigen. Hinzu kommen häufig größere Wasserschalen, in Einzelfällen sind sogar ganze Aquarien mitsamt Bepflanzung und Fischbesatz in das Terrarium integriert. Die große Wasseroberfläche dieser Bademöglichkeiten lässt das Hygrometer weiter steigen. Da sowohl  Zugluft als auch stehende Luft dringend vermieden werden sollte, stellt sich uns an dieser Stelle die Frage, wie sich sicherstellen lässt das es im Terrarium nicht zu feucht wird.

Es ist längst bekannt das Strumpfbandnattern sensibel auf zu hohe Feuchtigkeit reagieren. Hauterkrankungen wie "Blister Disease" (Bläschenkrankheit) und Hautmykosen können die Folge sein. Insbesondere die Blister Disease ist ein häufiger Grund für die Vorstellung beim Tierarzt (Kölle P., 2015).

 

Ein weiterer Punkt dem wir Beachtung schenken möchten ist die Praxistauglichkeit. Es steht wohl ausser Frage das man in einem Hygienisch eingerichtetem Terrarium einen besseren Überblick über das Geschehen im Becken hat. Das trifft besonders bei der allgemein überwiegend praktizierten Gesellschaftshaltung zu. So hat man z.B. besseren Überblick über die aufgenommene Nahrung, den Kotabsatz, bei Geburten uvm. Ausserdem ist ein leichterer Zugriff auf die Tiere möglich, was unter anderem im Krankheitsfall von Vorteil ist. Auch scheint es uns um ein vielfaches leichter ein klassisch eingerichtetes Terrarium zu reinigen und zu desinfizieren etc. pp.

 

Betrachtet man nun die oben genannten Punkte, stellt sich unserer Meinung nach heraus das die naturnahe Haltung von Strumpfbandnattern (zumindest in der Form, wie sie häufig praktiziert und empfohlen wird) keine geeignete Haltungsvariante darstellt. Insbesondere Anfänger in der Terraristik sollten hier zur Vorsicht gemahnt werden, sämtliche Haltungsparameter ständig im Blick zu behalten. Wie eingangs schon bemängelt, wird häufig mit sehr oberflächlichen Aussagen für die naturnahe Haltung geworben. Hier bedarf es nach unserem Dafürhalten deutlich umfangreichere Informationen, um den zukünftigen Halter vor Haltungsfehlern und den daraus resultierenden möglichen Folgen zu bewahren.

 

 

 

Derzeit ist ein Versuch in Vorbereitung, indem in Zusammenarbeit mit Laboren, Mikrobiologen und Tierärzten verschiedene Fragen beantwortet werden sollen. Die Ergebnisse dieses Versuchs werden dann ebenfalls hier zu lesen sein.